5 wirkungsvolle Achtsamkeitsübungen, um Stress zu reduzieren
Neulich war ich mit Freunden spazieren und wir erzählten uns so aus unserem Leben und wie es uns so ging. Bei uns allen war ziemlich viel los und wir merkten, dass da recht viel Stress mitschwang. Da fragte mich einer der Freunde: Wieso bist du eigentlich gestresst? Du gibst doch Achtsamkeitskurse?
Dieser Frage begegne ich öfters. Wenn ich erwähne, dass ich Achtsamkeitstrainerin bin, erwarten viele, dass ich immer gelassen und entspannt sei. Auch dieser Freund war der Auffassung, dass Gelassenheit bedeutet, nie mehr gestresst zu sein. Mag sein, dass es Menschen geben mag, denen das gelingt; für die meisten, die sich bemühen, dem Leben in unserer westlichen Gesellschaft mit all den vielfältigen Ansprüchen und Anforderungen gerecht zu werden, wird das eher ein unerreichbares Ziel bleiben. Dieser Auffassung liegt allerdings ein Missverständnis zugrunde. Gelassenheit bedeutet nicht, keinen Stress mehr zu erleben, sondern die Stressanzeichen früh wahrzunehmen und gegenzusteuern. Es bedeutet, hinzuschauen, wie man selbst dazu beiträgt, den Stress zu vergrößern, und sich ehrlich zu fragen, was man braucht, um nicht tiefer in die Stressspirale hinabzugleiten. Wege der Stressbewältigung zu kennen, heißt also nicht, dass der Stress verschwindet und all die Begegnungen, Mails, Meetings und Deadlines keinen Stress mehr auslösen. Gutes Stressmanagement meint die Fähigkeit, in einer stressigen Situation oder Lebensphase präsent zu sein, zu bemerken, was geschieht, den Stress nicht durch Grübeln oder Katastrophisieren zu vergrößern. Dazu gehört auch die Akzeptanz der Situation, wie sie ist, ein Innehalten, um sich darüber klarzuwerden, was der nächste, der klügste und somit auch passendste Schritt wäre. Achtsamkeit kann hierbei sehr unterstützend sein.
Was ist Stress?
Stress ist eine körperliche , mentale und emotionale Reaktion auf Anforderungen oder Belastungen, die wir als überwältigend oder bedrohlich empfinden. Unter Stress verstehen die meisten Menschen den Zustand, wenn sich alles zu viel anfühlt, wenn ein inneres Gehetztsein nicht mehr nachlässt, wenn körperliche Symptome wie Anspannung in den Muskeln, erhöhter Puls und Herzschlag, schlechter Schlaf oder Schmerzen immer häufiger auftauchen.
Stress zeigt sich auf mehreren Ebenen:
Auf der körperlichen Ebene: Verspannungen, Rückenschmerzen, Muskelschmerzen, Probleme einzuschlafen und durchzuschlafen, Magenbeschwerden, erhöhter Blutdruck und Puls, Erschöpfung.
Auf der mentalen Ebene: Nicht mehr abschalten können, grübeln, Gedankenkreisen, katastrophisieren, ein Tunnelblick, nur das sehen, was gerade nicht gut läuft, pessimistische Zukunftshaltung.
Aus der emotionalen Ebene: Empfindlichkeit, Gereiztheit, schlechte Laune, depressiv, hoffnungslos, sich ungenügend fühlen, unzufrieden.
Ein erster wichtiger Schritt ist es, diese drei Ebenen auseinander zu dividieren und die einzelnen Ebenen zu betrachten. Denn meist fühlt sich das Gestressstsein wie ein Knäuel an, eine unentwirrbares Knäuel aus Erschöpfung, Schmerzen, Gereiztheit und dem permanenten Grübeln, warum man sich so fühlt und ob es je wieder besser wird.
Was verursacht Stress?
Der Auslöser für das Stressempfinden kann sehr unterschiedlich sein: sehr viel zu tun in der Arbeit; Aufgaben, denen man sich nicht gewachsen fühlt; Zeit- oder Leistungsdruck; Vorgesetzte, von denen wir uns nicht wertgeschätzt fühlen oder zu Unrecht kritisiert; die mega Herausforderung, ein Familienleben zu organisieren, für Kinder da und zugleich auch berufstätig zu sein; wenn wir eine Krankheitsdiagnose bekommen, die uns zu schaffen macht (oder auch wenn ein Kind, der Partner, die Partnerin oder die eigenen Eltern eine solche Diagnose bekommen); wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, durch eine Trennung oder auch durch den Tod. Manchmal ist es auch das Gefühl, im eigenen Leben festzustecken, oder auch die Notwendigkeit, einen Lebensplan loszulassen, der sich nicht verwirklichen lässt.
Wie sehr wir eine Situation oder Lebensphase als stressig empfinden, hängt stark von unserer individuellen Konstitution und Prägung ab. Entscheidend ist hierbei auch unsere Einschätzung, ob und in wieweit wir der Situation gewachsen sind. Erleben wir uns als selbstwirksam und kennen unsere Fähigkeiten, mit der Herausforderung umzugehen, würden wir nicht von Stress sprechen. Das Stressempfinden kommt dann auf, wenn wir uns innerlich bedroht fühlen und uns die Fähigkeit fehlt oder sie uns nicht bewusst ist, mit der Situation gut umzugehen. In einer solchen gefühlten Bedrohung reagiert unser Körper mit den erlernten Überlebensmechanismen Kampf, Flucht oder Erstarren. Alle rationalen Lösungsmöglichkeiten stehen uns in dem Moment nicht zur Verfügung. Der Kampf-Modus zeigt sich durch Aggressivität, Reizbarkeit oder Aufgebrachtsein. Der Fluchtimpuls führt dazu, dass wir auf keine Mails oder Anrufe mehr reagieren und uns zurückziehen, während das Erstarren sich in fortwährendem Grübeln ausdrückt, unfruchtbares Gedankenkreisen, das weder zu einem Ergebnis noch zu einer Lösung führt und uns nur weiter erschöpft. Es ist sehr erhellend, für sich das eigene Reaktionsmuster herauszufinden.
Was ist Achtsamkeit?
Achtsamkeit ist eine innere Haltung, mit der ich wahrnehme, was gerade geschieht. Ohne das Wahrgenommene zu bewerten oder zu analysieren. Die achtsame Wahrnehmung richtet sich auf das Erleben, als würden wir mit einer Taschenlampe darauf leuchten, deren Licht es ermöglicht, klar zu sehen. Dabei ist der Schein der Lampe ruhig, auch wenn das, worauf sich das Licht richtet, nicht ruhig sein muss. Wenn ich aufgebracht bin, kann ich das mit ruhigem und wohlwollender Aufmerksamkeit wahrnehmen und alle Nuancen des Aufgebrachtseins erspüren.
Achtsamkeit ist keine nicht kühle, nüchterne Aufmerksamkeit, sie ist durchdrungen von Wohlwollen und Freundlichkeit meinem Erleben gegenüber. Sie ist akzeptierend und bewertet nicht.
Stressbewältigung durch Achtsamkeit
Um dem Stress mit Achtsamkeit zu begegnen, können wir damit beginnen, erstmal den Körper wahrzunehmen. Weil sich Stress als allererstes im Körper zeigt.
Du kannst spüren: Welche Empfindungen sind im Körper gerade da? Wärme, Kälte, welche Körperbereiche sind angespannt, welche sind entspannt? Gibt es ein Pulsieren im Körper, ein Zittern, Ziehen, Stechen? Fühlt der Körper sich müde, erschöpft, lebendig, kraftvoll?
Auf der mentalen Ebene können wir die Gedanken identifizieren, mit denen wir unseren Stress vergrößern. Permanentes Grübeln raubt sehr viel Energie, und Gedanken, die das eigene Unvermögen immer und immer wieder wiederholen („Ich kann das nicht.“, „Ich schaff das nicht.“ und all diese ähnlichen Gedanken) ebenfalls. Allein wenn wir diese bemerken und einen Abstand zu ihnen herstellen, können wir hier Erleichterung schaffen.
Auf der emotionalen Ebene können wir uns selbst trösten. Wie können uns selbst in den Arm nehmen, dem Gefühl des Überfordertseins auch erlauben, dass es da sein darf. Wir können uns selbst beistehen, wenn wir diese schwierigen Gefühle haben. Wenn die Gefühle da sein dürfen, dann schafft das Frieden im eigenen Inneren.
5 Achtsamkeitsübungen gegen Stress
Mit diesen 5 Übungen kannst einen neuen Umgang mit einer stressigen Erfahrung erlernen.
1. Innehalten. Was passiert gerade?
Dies ist die wichtigste und grundlegendste Achtsamkeitsübung. Nur das, was wir wahrnehmen und bewusst erkennen, können wir verändern. In einem stressigen Moment oder einer stressigen Phase innezuhalten und genau zu beobachten, was hier gerade geschieht, kann dazu beitragen, gar nicht erst in eine Stressspirale hineinzugeraten.
Die Übung
Wenn du bemerkst, dass eine Situation dich herausfordert, überfordert, stressig ist, und dir das bewusst wird, dann unterbrich das, was du gerade tust, und frage dich:
- Was erlebe ich gerade?
- Was spüre ich im Körper?
- Welche Gedanken und Gefühle sind da?
- Wie fließt der Atem?
Nimm dir dafür ein paar Sekunden Zeit, oder 3 Minuten oder so lange du brauchst.
Bemerke alles, was du wahrnimmst, mit der interessierten inneren Haltung, die eine Forscherin ihrem Forschungsobjekt gegenüber einnimmt. Lass mögliche Erwartungen los, ebenso mögliche Bewertungen. Nimm wahr, was gerade geschieht. Und dann lass dich überraschen, was sich durch das einfache Wahrnehmen verändert.
2. Atmen
Stressiges Erleben bedeutet einmal Unbehagen auf der körperlichen Ebene und bringt zumeist Unruhe in den Gedanken mit sich. Die Aufmerksamkeit auf den Atem zu richten, hilft dir, in den gegenwärtigen Moment zurückzukehren, den Körper zu beruhigen und dich ganz im Hier und Jetzt zu verankern.
Die Übung
Setze dich dafür bequem und möglichst aufgerichtet hin. Auf einen Stuhl, auf ein Meditationskissen oder auf eine Bank im Park. Spüre den Atemfluss, die Bewegung des Atems im Körper, da wo du sie wahrnehmen kannst: an der Nase, im Brustkorb oder im Bauch. Und dann beobachte einfach, wie der Körper atmet. Du musst nicht versuchen, tief zu atmen und die Atemzüge zu verlängern, sondern überlasse das Atmen dem Körper. Immer wenn du merkst, dass deine Aufmerksamkeit zu Gedanken oder Geräuschen wandert, bring sie geduldig zum Atem zurück. Es gibt nichts zu tun, außer zu atmen …
Du kannst dir einen Timer stellen, 5 Minuten oder 10 oder 20. Triff mit dir eine Vereinbarung, eine Woche lang täglich auf diese Weise zu meditieren und schau, was passiert …
3. Den Körper spüren
Neben dem Atem ist es der Körper, der uns in stressigen Momenten wieder verankern kann. Alles, was wir erleben, erleben wir im Körper. Und wenn wir uns unserem körperlichen Erleben interessiert und freundlich zuwenden, kann das helfen, körperliche Stresssymptome zu beruhigen und sich nachhaltig zu entspannen.
Die Übung
Du kannst dich hinlegen oder in einen bequemen Sessel setzen, und mit deiner Aufmerksamkeit den Körper von Kopf bis Fuß „erspüren“ – die Füße, Beine, Becken, Rücken, Brustkorb, Arme und Kopf. Nimm alle Empfindungen wie Kälte, Wärme, Anspannung, Weichheit, Kribbeln, Pulsieren wahr … alles, was auftaucht. Auch hier gilt: Du brauchst nichts zu verändern, du darfst sogar die Absicht, zu entspannen, loslassen. Lass dich überraschen, wie du dich fühlst, wenn du auf diese Weise, wohlwollend deinen Körper wahrnimmst.
4. Füße spüren
Das, was uns stresst, ist meistens unsere Reaktion in Form der Gedanken und Gefühle. Die Gedanken, die sich automatisch in Gang setzen, wenn wir etwas erleben, und die Gefühle, die ohne unser Zutun auftauchen.
Was in einer solchen Situation helfen kann, ist das ganz buchstäbliche Erspüren des Bodens unter unseren Füßen. Es kann entlasten, erden, zentrieren. Und lässt sich überall durchführen, in Meetings, im Zug, im Bus, in Gesprächen, wo immer du bist. Wenn wir die Füße spüren, bringen wir die Aufmerksamkeit so weit wie möglich weg vom Kopf, von unserem Denken. Das kann das Gedankenwirrwarr beruhigen und uns wieder einen klaren Kopf ermöglichen.
Die Übung
Spüre deine Füße im Kontakt mit dem Boden. Spüre, wie du geerdet bist und wie der Boden dich hält. Bleib für ein paar Atemzüge in diesem Kontakt. Lass den Atem ganz natürlich fließen. Bemerke, wie du dich danach fühlst. Was hat sich verändert?
5. Magic Question: Was brauche ich jetzt?
Wenn wir gestresst sind und vor lauter Anforderungen von außen nicht wissen, wo uns der Kopf steht, fühlt sich das manchmal auch überfordernd an und wir sehen all die Möglichkeiten, die wir haben, nicht mehr. Um unsere Selbstwirksamkeit wieder zu fördern, können wir uns fragen: Was brauche ich jetzt? Es kann sein, dass sich der Stress so überwältigend anfühlt, dass wir nicht sofort eine Antwort darauf haben. Dann können wir weitergehen und uns fragen: Wenn ich jetzt freundlich zu mir selbst wäre, und mein Wohlergehen im Sinn hätte, was würde ich dann tun?
Diese Frage bringt uns dazu, unsere eigenen Bedürfnisse wieder in den Mittelpunkt zu stellen und ins Handeln zu kommen. Sie löst uns aus einer inneren Erstarrung. Und sie bezieht auch unsere Werte mit ein – sie gibt uns die Kraft, so zu reagieren und zu handeln, dass es dem entspricht, was uns wirklich wichtig ist.

Gelassen im Stress
Du kannst diese Übungen in stressigen Situationen machen, oder du nimmst dir jeden Tag 5 Minuten Zeit, eine davon zu üben. Durch regelmäßiges Üben schaffst du neue Gewohnheiten. Diese neuen Gewohnheiten legen neue Nervenbahnen in deinem Gehirn und es wird von Tag zu Tag leichter, sich daran zu erinnern, sie zu tun. Du wirst erleben, dass du dem Stress in deinem Leben nicht hilflos ausgeliefert bist, sondern aktiv und selbst Mittel in der Hand hast, um dem Stress gelassen und selbstbestimmt zu begegnen.
Wenn du mehr darüber erfahren und selbst aktiv einen neuen Umgang mit Stress erlernen möchtest, melde dich für den MBSR-Kurs an. Hier lernst du die wissenschaftlich erforschte und nachweislich wirksame Stressreduzierung durch Achtsamkeit. Der Kurs geht über 8 Wochen und wird von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst. Zudem bekommst du gesprochene Anleitungen zu allen Übungen, die dich in deinem Alltag unterstützen.
Die aktuellen Kurstermine findest du hier. Vor dem Kurs hast du auch die Möglichkeit, in einem persönlichen Vorgespräch all deine offenen Fragen zu stellen.